
Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet unser WLAN – ursprünglich entwickelt für Datenübertragung – so nach und nach zu einem Bewegungssensor wird? Was für viele nach Science-Fiction klingt, ist längst Realität: Moderne WLAN-Technik kann erkennen, ob sich Menschen oder Objekte im Raum befinden – ohne Kamera, ohne Mikrofon, allein durch die Auswertung von Funkwellen. Das Stichwort: WiFi-Sensing.
Was ist WiFi-Sensing?
WiFi-Sensing nutzt minimale Störungen in der Funkumgebung (z. B. durch Bewegung, Atmung, sogar Herzschlag), um Rückschlüsse auf Anwesenheit, Aktivität oder Position von Personen zu ziehen. Die Technologie basiert auf der Auswertung sogenannter Channel State Information (CSI) sowie auf Round Trip Time (RTT)-Messungen.
Wichtig: Es geht nicht darum, ein hochauflösendes Bild wie bei einer Kamera zu erstellen. Stattdessen genügt es zu wissen: „Da ist jemand.“
Die Technik dahinter – kurz vereinfacht erklärt
Grundsätzlich kann man das Prinzip dahinter mit einem Radar zur Flugüberüberwachung oder einem Echolot in der Seefahrt vergleichen. Der WLAN-Router sendet fortwährend Funksignale. Aufgrund der Frequenz (2,4GHz, 5GHz oder 6GHz) durchdringen diese Funkwellen Wände und reflektieren (teilweise) an Körpern, Möbel, Böden. Auch werden je nach Material und Oberfläche die Funkwellen unterschiedlich reflektiert oder gestreut. Vergleichbar mit einem Lichtstrahl auf unterschiedlichen Oberflächen. Um jetzt aber aufgrund der Reflexionen, welche ja Störungen im Funkbetrieb darstellen, die drahtlose Kommunikation zu optimieren, gibt es verschiedene technische Methoden um Störungen zu reduzieren. Doch dazu müssen Störungen bekannt sein und WLAN-Geräte müssen sich austauschen um gemeinsam eine optimale Verbindung zu halten. Für die Übermittlung solcher Informationen dienen die schon erwähnten Channel State Information (CSI). Hier werden detaillierte Informationen über den Zustand des aktuell verwendeten Übertragungskanal wie Signalstärke und Störsignale zwischen den Sendestationen ausgetauscht. Was eigentlich zur Verbesserung der Kommunikation entwickelt wurde, kann jetzt durch gezielte Auswertung von Signalmustern dazu genutzt werden, Bewegungen und die Anwesenheit von Personen im Sendebereich des WLAN-Gerätes zu erkennen. Wenn jetzt auch noch mehrere WLAN-Geräte zusammenarbeiten lässt sich ein recht gutes Bild eines Bewegungsmusters erkennen. Bei entsprechendem Training, kann eine KI sogar Personen anhand ihres Gangs erkennen und zuordnen.
Klingt nützlich? Ist es auch.
Die Industrie spricht von vielen Anwendungsfeldern:
- Gesundheitswesen: Sturzerkennung bei Senioren ohne Kameras. Eine KI ist nach entsprechendem Trainung und Lernphase Spezialist darin, Abweichungen vom erlernten Muster zu erkennen. So ist es möglich, einen Sturz als Abweichung vom üblicherweise aufrechten Gang zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren.
- Smart Home: Lichtsteuerung durch Präsenz, Heizungsautomatik. Es wird eine simple Bewegung erkannt und schon wird eine Lampe eingeschaltet. Da der Umfang der dazu ausgewerteten Signalstörung Rückschlüsse auf die Grösse des verursachenden Objektes zulässt, kann man hier zwischen Mensch und Haustier unterscheiden.
- Einbruchschutz: Warnungen bei ungewöhnlicher Bewegung im Raum. Gleiches Prinzip wie beim Smarthome, jedoch wird kein Licht eingeschaltet, sondern ein Alarm ausgelöst.
- Marketing: Bewegungstracking im Einzelhandel (auch anonymisiert). Gerade im Einzelhandel ist man daran interessiert, das Kaufverhalten der Kunden zu analysieren. Wenn man den Verkaufsraum mit einigen WLAN-Geräten ausstattet, ist es mit entsprechender Software möglich, die Bewegung der Kunden im Verkaufsraum zu verfolgen, zu analysieren und auszuwerten.
Unternehmen wie Deutsche Telekom, Comcast/Xfinity, TP-Link und viele andere testen oder integrieren solche Funktionen bereits in aktuellen Routern und Mesh-Geräten.
Und jetzt die Kehrseite
Doch es gibt auch ernstzunehmende Schattenseiten:
in Modernen WLAN-Routern sind die technischen Voraussetzungen bereits vorhanden und kann durch das Betriebssystem des Routers genutzt werden. Die Aktivierung passiert oft im Hintergrund ohne dass der Anwender es mitbekommt. Das perfide an der Technik ist, dass eine Technik ausgenutzt wird, bei welcher ein Deaktivieren auch die Funktion welche wir nutzen wollen nicht mehr funktioniert (Deaktivieren der Funkwellen = kein drahtloses Netzwerk)
Und weil Funkwellen oftmals auch Gebäudewände durchdringen, bringt es meist nicht sehr viel, sein eigenes Netzwerk (WLAN) entsprechend abzusichern, wenn die „Überwachung“ durch den Router des Nachbarn erfolgt.
Was kann man dagegen tun?
- Verwende ältere oder „dumme“ Router ohne Sensing-Funktionen.
- Für viele WLAN-Router gibt es alternative Firmware wie zum Beispiel von DD-WRT. Diese Firmware ist kostenlos und bietet oftmals sogar einen besseren Funktionsumfang als die originale Firmware des Routerherstellers. (Webseite von DD-WRT)
- Informiere dich, ob dein Gerät IEEE 802.11bf (Sensing-Standard) unterstützt – und deaktiviere diese Funktionen, wenn möglich.
Fazit
WiFi-Sensing ist faszinierend – und beängstigend zugleich. Wie so oft, wird uns etwas als eine geniale Errungenschaft angepriesen ohne die Nachteile zu erklären. Was als Assistenzsystem beginnt, kann sich leicht zur flächendeckenden Überwachungstechnologie wandeln. Jeder nutzt zuhause WLAN, jeder hat eine Smartphone mit WLAN-Funktion. Wenn man mal mit dem Aluhut denkt, könnte man sich ausmalen, wie diese Geräte zusammenarbeiten. Dabei übermitteln sie Daten an Dritte, welche wir eigentlich nicht preisgeben möchten. Die Entwicklung verläuft schleichend, fast geräuschlos – aber technisch ist schon jetzt sehr viel möglich. Und was technisch möglich ist, wird irgendwann auch genutzt.
Wer seine Privatsphäre wahren möchte, muss verstehen, was seine Geräte wirklich tun – und darf sich nicht auf bunte Werbespots verlassen.
Bei Youtube gibt es ein kurzes Video aus dem Jahr 2018, welches zeigt, was damals schon mit dieser Technik möglich war. Damals war die KI-Technologie noch nicht so fortgeschritten wie heute.
Youtube-Video über Möglichkeiten zu WIFI-Sensing: AI Senses People Through Walls

Computerhilfe in Ungarn
Jörg Reece
Systemadministrator und Geschäftsführer
der Reece Services Kft.